Wenn ein Stoff schwer zu verarbeiten ist oder der Jersey sich wellt, hört man oft den Tipp, einen Obertransportfuß anzubringen oder beim Nähen den eingebauten Obertransport zu benutzen. Hast du dich schon mal gefragt, was ein Obertransportfuß ist und ob du ihn überhaupt brauchst?
Als Physikerin interessiere ich mich für die genaue Funktionsweise meiner Nähmaschine. Vor Kurzem wollte ich wissen, welche Obertransport-Systeme es auf dem Markt gibt und wie diese genau funktionieren. Erstaunlicherweise waren die Antworten auf diese Fragen gar nicht so einfach zu finden.
Daher präsentiere ich hier nach einiger Recherche meine Erkenntnisse. Doch jetzt fangen wir mal mit der ersten Frage an:
Wo bekomme ich einen Obertransportfuß?
Du kannst Original-Zubehörteile für fast alle Nähmaschinen im Fachhandel nachkaufen. Bei Amazon gibt es auch Universal-Obertransportfüße, die wohl gut funktioniern und lediglich etwas lauter sind: Nähfuß für Nähmaschinen mit einem Kurzschaftsystem* (als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Käufen).
Wieso bewegt sich der Stoff überhaupt nach vorne?
Und jetzt zu den Grundlagen: Jede Nähmaschine hat einen Mechanismus, mit dem sie den Stoff vor (und ggf. zurück) schiebt, sobald die Nadel nicht mehr im Stoff steckt. So näht die Maschine nicht nur an einer Stelle sondern es entsteht eine Naht mit gleichmäßigen Abständen zwischen den Stichen.
Alle gängigen Maschinen besitzen dazu in der Nähplatte einen sog. Untertransport. Das sind mehreren Schienen, die am oberen Rand Zacken haben und sich kreisförmig bewegen. Wenn die Nadel im Stoff steckt, sind die Zähnchen versenkt und bewegen sich nach vorne. Sobald die Nadel oben ist, gehen sie nach oben, greifen in den Stoff und schieben ihn nach hinten.
Allerdings ist es manchmal ein Problem, dass der Stoff nur von unten transportiert wird, weil sich die obere Stofflage dann gegen die untere Stofflage verschieben kann. Ein Obertransport sorgt in diesen Fällen dafür, dass der Stoff gleichmäßiger auch von oben weitergeschoben wird.
Das ist besonders wichtig für elastische Stoffe wie Jersey oder Sweat, bei sehr dünnen und leichten Stoffen wie Chiffon, bei rutschigen Stoffen (Satin, Seide,…) oder bei schwer zu verarbeitenden Stoffen wie Samt. Ohne Obertransport entstehen hier häufig Wellen im Stoff. Auch wenn sehr viele, zum Teil dicke, Lagen Stoff verrät werden wie beim Quilten, ist ein Obertransport sehr zu empfehlen.
Außerdem ist ein gleichmäßiger Transport des Stoffes sehr hilfreich, wenn du zum Beispiel Streifen nähen möchtest und die Streifen sich an der Seitennaht perfekt treffen sollen.
Um dafür zu sorgen, dass der Stoff von oben und von unten gleichmäßig verschoben wird, gibt es mehrere Ansätze, die ich im folgenden vorstellen werde.
Integrierter Obertransport
Ein aktiver Obertransport ist an den Untertransport gekoppelt, d.h. er „weiß“, welche Stichlänge du gewählt hast und ob du gerade vorwärts oder rückwärts nähst.
So wird der Stoff gleichermaßen von oben wie von unten weitergeschoben. Wenn du also den normalen Transport versenken würdest, so dass der Stoff von unten nicht mehr weitergeschoben würde, würde sich der Stoff eben trotzdem noch bewegen, weil er von oben transportiert wird.
IDT – ein Beispiel eines aktiven Obertransports
An meiner Pfaff-Maschine ist ein aktiver Obertransport integriert, der bei Bedarf einfach heruntergeklappt wird. Das System heißt IDT (Integrierter Dualtransport) und ist natürlich sehr komfortabel. Das schwarze Füsschen besitzt an der Unterseite kleine Zähnchen und es sitzt mittig in dem Nähfuß, der genau dafür eine Aussparung hat.
Der Obertransport arbeitet hier synchron zum Untertransport, also genauso schnell. So sieht das in etwas beim Nähen aus:
Viele andere hochwertige Nähmaschinen von Marken wie Bernina, Janome oder Gritzner besitzen ebenfalls einen integrierten Obertransport, der im Detail jeweils etwas anders funktioniert. Das Grundprinzip ist aber immer das gleiche – der Obertransport wird vom Motor der Nähmaschine angetrieben und arbeitet synchron zum Untertransport.
Obertransportfuß zum Nachrüsten
An vielen Nähmaschinen wie Singer, brother oder W6 kann ein Obertransportfuß als Sonder-Zubehör bestellt werden und wird nachträglich am Nähfuß angebracht.
Wie das dann aussieht, kannst du an diesem Bild erkennen, das mir Sabrina von Mamahoch2 freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.
Wie wird der Obertransportfuß montiert?
Bei Mamahoch2 findet ihr nicht nur die Diskussion, ob man einen Obertransportfuß braucht, sondern auch eine Anleitung für die Montage des Fußes an die Nähmaschine.
Je nach Modell ist das Anbringen mehr oder weniger aufwändig, aber nachdem du den Obertransport fast immer verwenden kannst, lohnt sich das Anbringen allemal.
Wie funktioniert ein Obertransportfuß?
Der Nähfuß hat eine Stange, die auf der Schraube der Nähnadel aufliegt. Diese treibt den Obertransport an, die kleinen Plastik-Zähne an der Unterseite des Obertransportfußes drücken den Stoff auf den Untertransport und sorgen dafür, dass der Nähfuß angehoben wird. So wird die Reibung des Stoffes am Nähfuß verringert und es bilden sich weniger Wellen in der Naht.
Die Zähnchen des Obertransportes haben keinen eigenen Antrieb, sondern sie können sich frei nach vorne und hinten bewegen. Sie drücken alle Stofflagen auf den Untertransport und werden durch den Stoff nach vorne oder hinten geschoben.
Auf Englisch heißt dieser Fuß übrigens „Walking Foot“ (gehender Fuß) , weil er beim Nähen aussieht, als würde er über den Stoff laufen.
Welche Stiche kann man mit dem Obertransportfuß nähen?
Da der Obertransport immer in die gleiche Richtung geschoben wird, wie der Untertransport, kannst du im Prinzip mit diesem Nähfuß sowohl vorwärts als auch rückwärts nähen.
Damit sollten auch die meisten Zierstiche nähbar sein, solange die Stichbreite nicht größer ist als die Nähöffnung des Nähfußes. Ob das geht, kannst du ausprobieren, indem du es einfach von Hand am Nährad drehst und so vorsichtig die ersten paar Stiche nähst.
Allerdings solltest du auch immer die Anleitung deiner Nähmaschine lesen, was dein spezielles System kann. Der IDT-Obertransport meiner Pfaff-Maschine kann zum Beispiel alle Stiche nähen, für die es einen Nähfuß mit der entsprechenden Aussparung gibt. So nähe ich fast alles bis auf spezielle Dinge wie Knopflöcher oder Reißverschlüsse mit dem integrierten Obertransport.
Bei dem gekauften Obertransportfuß zum Nachrüsten steht hingegen im Beipackzettel, dass er nur für Geradstiche und Zickzackstiche verwendet werden soll. Allerdings denke ich nicht, dass du viel kaputt machen kannst, wenn du es mit anderen Stichen vorsichtig ausprobierst.
Aber das sage ich ganz ohne Gewähr – das muss jeder für sich selbst entscheiden und gegebenenfalls testen. 🙂
Was ist ein Differential?
Immer wieder hört man den Satz „Meine Maschine hat einen Obertransport mit Differential“. Am Anfang habe ich gedacht, dass das Differential eine Eigenschaft des Obertransportes war, aber nun bin ich schlauer 🙂 Normale Nähmaschinen haben kein Differential, das ist eine Funktion, die Overlockmaschinen haben. Ich habe einen ganzen Artikel zu dem Thema „Was ist der Differentialtransport bei der Overlock?“ geschrieben, aber hier ist eine kurze Zusammenfassung:
Das Differential ist bei der Overlock eine Eigenschaft des Untertransportes. Die Zähne sind dort zweigeteilt, wie du in folgendem Bild erkennen kannst, wenn du genau hinsiehst:
Die Geschwindigkeit des vorderen Transporteurs kann mit Hilfe eines Hebels an der rechten Seite der Maschine eingestellt werden.
In der Hebelstellung N arbeiten beide Transporteure gleich schnell. Bei den oberen Stellungen bis 2 arbeitet der vordere Transporteur schneller und der Stoff wird gestaucht. Das verwendet man insbesondere für dehnbare Stoffe, damit keine Wellen entstehen.
Schaltet man den Hebel nach unten, dann arbeitet der vordere Transporteur langsamer und der Stoff wird gedehnt.
Und was ist ein veränderliche Obertransport?
Bei einem System mit Variablem Obertransport kann die Geschwindigkeit des Obertransportes getrennt eingestellt werden. Es kann also bei Bedarf auch langsamer oder schneller arbeiten, als der Untertransport.
Das ist vor allem dann hilfreich, wenn du z.B. den oberen Stoff raffen möchtest oder zwei Stoffe zusammennähst, die unterschiedliche Eigenschaften wie Elastizität oder Oberflächenstruktur haben (z.B. wenn du Jersey an Leder nähen wolltest).
Einen veränderlichen Obertransport haben in der Regel allerdings nur industrielle Nähmaschinen.
Sind noch Fragen offen geblieben?
Wenn du noch weitere Fragen zum Thema „Stofftransport“ hast, dann hinterlasse mir hier einfach einen Kommentar oder schreibe mir eine Email. Ich werde die Frage beantworten so gut es geht.
Viele liebe Grüße,
Cailin
PS: Und wenn du jetzt noch eine Baby- und Kinderleggings mit (oder ohne Obertransport) nähen möchtest, melde dich einfach zu unserem Newsletter an. Dann schicke ich dir das kostenlose Schnittmuster der Baby- und Kinderleggings Luna in den Größen 44-116 innerhalb der nächsten Stunden zu. 🙂
Steffi Tamm meint
Danke liebe Cailin für die tolle Erklärung, mir war zwar schon einiges klar aber jetzt habe ich dss Gefühl ich habe wirklich den Durchblick!! Ich liebe Deinen Blog und Deine tollen Anleitung, Danke dafür und mach weiter so!! Ich wünsche Dir ein ganz tollen Tag, liebst Steffi
cailin meint
Hallo Steffi,
vielen Dank für deinen lieben Kommentar. Ich freue mich natürlich riesig, wenn du jetzt den Durchblick bei Obertransportfuß und Co. hast – dafür schreibe ich ja meine Artikel 🙂
Viele liebe Grüße,
Cailin
Katja meint
Also mit meinem nachgekauften Obertransportfuß für meine Brother Nähmaschine (kein Original-Zubehör) lassen sich tatsächlich keine Stiche nähen, bei denen der Untertransport den Stoff rückwärts schiebt. Der Stoff wird vom Füßchen aktiv weiter geschoben. Also sowohl mein Fake-Overlockstich, als auch alle Zierstiche fallen damit raus. Ich nutze ihn deswegen fast nur, wenn ich mit der Zwillingsnadel Jersey säume. Hat mich ganz schön enttäuscht, als ich das festgestellt habe.
cailin meint
Hallo Katja,
deine Enttäuschung kann ich verstehen, dann fallen ja viele elastische Stiche komplett weg… Falls du es doch nochmal probieren willst, einige Obertransportfüße haben keinen aktiven Transport, wie beispielsweise das oben verlinkte Exemplar, damit müsste es klappen.
Viele liebe Grüße,
Cailin
Gerda Kehrle meint
Hallo,
ich brauche Hilfe. Habe mir gerade eine Brother F400 zugelegt. Leider macht das Nähen mit Jersey gar keinen Spaß.
Habe verstanden, dass ich so einen Stofftransporteur kaufen muss. Bin jetzt irritiert und weiss nicht was ich genau kaufen soll. Will Jersey mit einer elastischen Naht problemlos nähen können.
Danke vorab
Sandra WÜHLE meint
Lieben Dank für die Erklärung. Da sich mein Zierstich grade übelst auf 3 Lagen Sweat wellt, die Anleitung meiner Singer zum Obertransport allerdings sehr mager ist, bin ich bei Dir gelandet. Lieben Dank dass Du die Infos zusammengestellt hast.
LG, Sandra
Fine meint
Kannst du mir vielleicht sagen, welcher Obertransport-Fuß auf eine tipmatic gritzner 1035 dft passt?
cailin meint
Hallo Fine,
leider kenne ich mich nicht mit den Füßen für alle Nähmaschinen aus 🙁 Aber in der Beschreibung für den Nähfuß sollte üblicherweise stehen, für welche Maschinen er passt.
Wenn du online bestellst, kannst du es im normalerweise zurückschicken, falls es nicht passen sollte. Oder du rufst im Fachhandel an und schaust, ob du jemanden erreichst, der dich beraten kann.
Viele liebe Grüße und viel Erfolg!
Cailin
Cailin
Wolfgang meint
Die Gritzner 1035 DFT braucht keinen extra Obertransportfuß, denn sie besitzt einen eingebauten Obertransport, der sich DFT nennt und viel besser arbeitet als so ein nachträglich angebrachter Obertransportkompromiss. DFT kann bei allen Stichen verwendet werden, passt sich selbst an die Stichlänge an und funktioniert sogar beim Rückwärtsstich.
Sandra meint
Hallo liebe Cailin,
vielleicht kannst du mir weiter helfen. Ich versuche mich gerade an Sofshell und habe eine wirklich tolle Jacke unter schlimmsten Umständen nach 2 Tagen fertig gestellt (Stoff zu dick, lässt sich am Reißverschluss kaum absteppen…). Ich hab mich echt gequält, so macht nähen kein Spaß. Nun liebäugel ich jetzt mit einem Obertransportfuß. Jedoch habe ich eine normale- und eine Overlockmaschine. Kann ich diesen Fuß auch für eine Overlock einsetzen. Meine Singer ist eine Diva, bei zu viel Stoff kapituliert sie. Bei der anderen ist es zwar ähnlich, näht aber oft noch, wenn die Diva den Geist aufgibt.
cailin meint
Hallo Sandra,
es hängt natürlich von der Bauart deiner Overlock ab. Manche der teureren Overlocks haben, soweit ich weiß, den Obertransport ja auch direkt eingebaut, da braucht man gar keinen extra Fuß dafür.
Aber ich kann mir eignentlich nicht vorstellen, dass dieser Fuß bei einer Overlock passt. Wenn du sowieso zwei Maschinen hast, dann lohnt sich der Kauf aber vermutlich trotzdem 🙂
Viele liebe Grüße,
Cailin
Paola meint
Hallo, ich hätte noch eine Frage zu deiner tollen Erklärung. Sollten die oberen Transportfußchen auf den Untertransport liegen, oder dazwischen? Bei mir liegen sie dazwischen, aber dann ist vielleicht der falsche Fuß für die Maschine… Vielen Dank!
cailin meint
Hallo Paola,
ich bin nicht ganz sicher, ob ich deine Frage richtig verstehe. Meinst du, ob die Zähne des Oberfüßchens direkt auf den Zähne des Untertransports aufliegen müssen?
Das müssen sie nicht, soweit ich weiß, denn der Obertransport soll „nur“ dafür sorgen, dass der Stoff auch von oben transportiert wird.
Viele liebe Grüße,
Cailin
Hermann Seiz meint
Es gibt Nähmaschinen mit Quertransport:
Bernina 1530, 1630
Pfaff 1475, 7570
Die können den Stoff auch Quer und schräg transportieren. Der Untertransport schaut auf
den Bildern gleich aus. Wie funktioniert das?
Silvia von Gunten meint
Danke für die tolle und sehr verständliche Erklärung! Endlich habe ich erfahren, wozu der Obertransportfuss außer zum Quilten auch noch nützlich ist! Ab Morgen nähe ich die Jerseykleider meiner Enkel nur noch mit dem Obertransportfuss!!!😜